DOG: SARS-CoV-2-Aerosole deutlich infektiöser als Trä­nen­flüs­sig­keit oder Bindehaut

SARS-CoV-2 ist hochgradig infektiös und wird haupt­säch­lich durch das Einatmen von Tröpfchen oder Aerosolen übertragen. Können sich Menschen aber auch über die Augen mit dem Virus infizieren? Diese und weitere Fragen rund um “COVID 19 und Auge” waren ein Thema der DOG-Pres­se­kon­fe­renz.

Können sich Menschen auch über die Bindehaut oder Trä­nen­flüs­sig­keit mit SARS-CoV-2 infizieren? Und inwiefern könnten mit dem Coronavirus infizierte Patienten andere Menschen über ihre Tränen anstecken? „Derartige Übert­ra­gungs­wege würden erhebliche Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben und weitere Schutz­maß­nah­men notwendig machen“, sagte Prof. Clemens Lange von der Universitäts-Augenklinik Freiburg. Es gebe vereinzelt Studien, die auf eine solche Übert­ra­gungs­kette hinweisen.

So hätten in Unter­su­chun­gen etwa sieben Prozent der COVID-19-Patienten subjektive Augen­be­schwer­den gezeigt. Bei etwa einem Prozent seien Zeichen einer Kon­junk­ti­vi­tis beobachtet worden. „Einige Studien postulieren, dass das Virus in diesen Fällen das Auge als Ein­tritts­pforte genutzt habe“, so Lange. Auch werde der Tränenfilm als ein möglicher Überträger diskutiert. „Reibt man sich bei­spiels­weise die Augen mit COVID-19-kon­ta­mi­nier­ten Händen, wäre eine Übertragung auf die Nasen­schleim­haut oder die Atemwege denkbar“, berichtete Lange. Umgekehrt könnten demnach infizierte Patienten das Virus über ihre Trä­nen­flüs­sig­keit auf gesunde Menschen übertragen.

Auge vermutlich keine relevante Virus-Pforte

„Betrachtet man die derzeitige Studienlage, weist jedoch nichts darauf hin, dass wir die Augen als bedeutsame Eintritts- oder Aus­tritts­pforte des Virus betrachten müssen“, stellt Lange fest, machte aber auch klar, dass es sich bei einer solchen Einschätzung um „eine Moment­auf­nahme“ handele.

Ein Zusammenhang zwischen der in Studien beobachteten Bin­de­haut­ent­zün­dung bei der COVID-19-Erkrankung habe bislang nicht eindeutig ermittelt werden können. „Es könnte sich auch um ein SARS-CoV-2-unabhängiges Phänomen handeln, das zum Beispiel im Zuge einer inten­siv­me­di­zi­ni­schen Behandlung oder der gene­ra­li­sier­ten Ent­zün­dungs­re­ak­tion im Körper von COVID-19-Patienten auftritt“, erklärte Lange. Darüber hinaus sei noch nicht eindeutig geklärt, ob die Zellen der Augen­o­ber­flä­che, wie zum Beispiel die der Bindehaut, den SARS-CoV-2-Rezeptor ACE2 in klinisch relevantem Maße exprimieren und damit für eine Infektion anfällig sind. Eine aktuelle Untersuchung an der Universitäts-Augenklinik Freiburg sowie histologische Unter­su­chun­gen anderer Kliniken hätten weder eine wesentliche Expression von ACE2 in der Bindehaut noch einen Zusammenhang zwischen einer COVID-19-Infektion und einer Bin­de­haut­ent­zün­dung nachweisen können.

Übertragung durch Trä­nen­flüs­sig­keit?

Auch sei der Übert­ra­gungs­weg über die Trä­nen­flüs­sig­keit eher unwahr­schein­lich. „Der regelmäßige Lidschlag des Auges sowie die geringe Augen­o­ber­flä­che dürften verhindern, dass ausreichend Viren ins Auge gelangen können“, so Lange.

Und dazu, ob Infizierte über ihre Tränen gesunde Menschen anstecken könnten, gebe es auch keine eindeutigen Hinweise: „Bei Patienten mit COVID-19-Erkrankung enthält der Tränenfilm nur sehr selten Virus-RNA“, erklärte Lange. Eine Ansteckung über die Trä­nen­flüs­sig­keit sei daher auch erst einmal aus­zu­schlie­ßen.

Weitere Studien notwendig

Obwohl derzeit eher keine Infektion über das Auge zu befürchten sei, blieben weitere Studien notwendig, um Aufschluss über die tatsächliche Infek­tio­si­tät und mögliche Orte der Virus­ver­meh­rung zu erhalten, meinte Lange. Kli­nik­per­so­nal sei dennoch dringend zu empfehlen, bei einer inten­siv­me­di­zi­ni­schen Versorgung von COVID-19-Patienten und bei Nahkontakten etwa während einer In- oder Extubation die Augen durch geeignete Brillen vor einer Übertragung des Coronavirus zu schützen.

„Alles in allem betrachtet, dürfte bei augen­ärzt­lichen Unter­su­chun­gen von Aerosolen aus den Atemwegen ein deutlich höheres Infek­ti­ons­ri­siko mit COVID-19 ausgehen als von Tränenfilm und Augen­o­ber­flä­che der Patienten“, resümierte Lange. Daher schützten sich die meisten Augenärzte durch eine Plas­tik­scheibe vor der Spaltlampe.

Quelle: biermann-medizin.de

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