Heparansulfat als Schlüssel für Lipoprotein-Retention identifiziert

Die alters­abhängige Makula­degeneration (AMD), die häufigste Erblind­ungs­ursache in den Indus­trie­na­ti­o­nen, beginnt mit der Bildung von aus Lipiden und Proteinen bestehenden Ablagerungen, den sogenannten Drusen, im Bereich der Bruchschen Membran der Netzhaut. Der Mechanismus der am Anfang der Drusenbildung stehenden Lipoprotein-Retention war bislang weitgehend unbekannt.

Eine in den Proceedings of the National Academy of Sciences erschienene Laborstudie hat Heparansulfat, ein sulfatiertes extra­zel­lu­lä­res Gly­ko­sa­mi­no­gly­kan, als ein für die Anheftung von Lipoproteinen an die Bruchsche Membran ent­schei­den­des Agens identifiziert. Die For­scher­gruppe unter Leitung von Christopher B. Toomey vom Shiley Eye Institute der Univerity of California (UC) San Diego School of Medicine untersuchte mittels Ras­te­r­elek­tro­nen­mi­kro­sko­pie postmortale AMD-Gewebe und wies dabei Aggregate von Lipoprotein-ähnlichen Partikeln auf der dem retinalen Pig­men­te­pi­thels zugewandten Seite der Bruchschen Membran und dies in unmittelbarer Nähe zu Heparansulfat nach. Das Gewebe von AMD-Patienten hatte deutlich mehr Heparansulfat in der Bruchschen Membran im Makulabereich als das von Personen ohne AMD. Lipoprotein-ähnliche Partikel wie zum Beispiel HDL (high-density lipoprotein) häuften sich in Bereichen an, die reich an Heparansulfat waren. Dies deutet nach Einschätzung der Stu­di­en­au­to­ren darauf hin, dass Heparansulfat diese Partikel regelrecht abfangen kann.

Mit menschlicher Bruchscher Membran, die auf einem Quarzkristall-Mikro-Biosensor (QCM) immobilisiert war, konnte gezeigt werden, dass Heparansulfat für die Bindung von Lipoproteinen essenziell ist und lösliches Heparansulfat die an Bruchsche Membran gebundenen Lipoproteine entfernen kann. Drusen – extra­zel­lu­läre Aggregate aus lipo­pro­te­i­n­ähn­li­chen Partikeln, die sich zwischen der Basalmembran des retinalen Pig­men­te­pi­thels (RPE) und der inneren kollagenen Schicht (ICL) der Bruchschen Membran finden – sind das patho­gno­mo­ni­sche Merkmal der frühen und mittleren AMD. Vor allem große Drusen sind mit einer Atrophie und einer Störung der äußeren Netz­haut­schich­ten assoziiert und direkt über solchen Drusen wird eine verminderte Emp­find­lich­keit der Netzhaut beobachtet. Die geografische Atrophie, neben der neo­vas­ku­lä­ren Verlaufsform eine der beiden klinischen Varianten der fort­ge­schrit­te­nen oder späten AMD, beginnt häufig über großen Drusen.

Die Lipi­dak­ku­mu­la­tion in der Frühphase der AMD ist ver­schie­dent­lich mit ähnlichen Vorgängen in der Pathogenese der Arte­ri­o­skle­rose verglichen worden. Ein wesentlicher Unterschied besteht indes darin, dass bei der AMD das lipo­pro­te­i­n­ähn­li­che Material extra­zel­lu­lär bleibt, weil es keine Immun­zel­lin­fil­tra­tion gibt, während athe­ro­skle­ro­ti­sche Plaques typi­scher­weise lipidbeladene Makrophagen aufweisen. „Daher ist die Rolle der Bruchschen Membran,“ so schreiben Toomey und Ko-Autoren, „bei der Seque­strie­rung der extra­zel­lu­lären Ablagerungen ein Gebiet für zukünftige Studien und für die Pathogenese der AMD relevant.“

In einer die Publikation begleitenden Pres­se­er­klä­rung stellt die UC San Diego die möglichen the­ra­peu­ti­schen Konsequenzen aus der Entdeckung dieser vom Heparansulfat vermittelten „klebrigen Interaktion“ heraus. Das jetzt erweiterte pat­ho­bio­lo­gi­sche Verständnis der Drusenbildung „könnte eine Möglichkeit sein, frühe Anzeichen von AMD zu verhindern oder sogar rückgängig zu machen, bevor ein Sehverlust eintritt.“ Die Forschenden haben im Rahmen ihrer Unter­su­chun­gen nachgewiesen, dass es möglich sein könnte, die Anhäufung von Lipoproteinen in der Bruchschen Membran zu verhindern oder umzukehren. Dafür würden sich nicht-blut­ver­dün­nende Formen von Heparin als potenzielle Behand­lungs­methoden anbieten, die dazu beitragen könnten, schädliche Lipide quasi „wegzuspülen“, ohne dass die Blu­tungs­ri­si­ken von normalem Heparin bestünden.

Quelle: For­schungs­newslet­ter PRO RETINA

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