Hohe Zuzahlungen für Sehhilfen – sehbehinderte Menschen protestieren gegen Kassenpläne

Berlin, 13. Oktober 2020. Erika W. ist sehbehindert, Diagnose: hohe Myopie – Kurz­sich­tig­keit, mit minus 14 Dioptrien auf jedem Auge. Für ihre Brille will die gesetzliche Krankenkasse pro Glas künftig einen Festbetrag von 86,71 Euro bezahlen. „Die Kasse behauptet, dass das ausreicht, um meine Spe­zi­al­glä­ser zu finanzieren, ohne dass ich etwas zuzahlen muss. Nur leider verrät mir niemand, wo ich solche Gläser zu diesem Preis erhalte. Stattdessen bleibe ich auf einer Zuzahlung von knapp 600 Euro sitzen.“

So wie Erika W. ergeht es vielen seh­be­hin­der­ten Menschen. In den Beratungs­stellen der Selbst­hil­fe­or­ga­ni­sa­ti­o­nen berichten sie von Zuzahlungen im höheren dreistelligen Bereich, und zwar nicht wegen einer freiwillig gewählten Son­der­ausstat­tung, sondern schlicht, weil mit den Festbeträgen keine angemessene Versorgung möglich ist.

In den vergangenen zwölf Jahren hat der Spit­zen­ver­band Bund der Krankenkassen (GKV-Spit­zen­ver­band) die Festbeträge nicht angepasst, nun sollen sie neu festgesetzt werden. Der Ver­brau­cher­preis­in­dex ist von 2008 bis 2020 um circa 15 Prozent gestiegen. Diese allgemeine Preiss­tei­ge­rung trifft auch auf die Versorgung mit Sehhilfen zu. Allein schon aus diesem Grund war eine deutliche Anhebung der Festbeträge zu erwarten. Stattdessen sollen Festbeträge teilweise sogar abgesenkt werden, zum Beispiel für Standlupen mit Beleuchtung oder für bestimmte Prismen. Das würde die Situation seh­be­hin­der­ter Menschen weiter ver­schlech­tern, vor allem bei schweren Seh­be­ein­träch­ti­gun­gen und komplexem Ver­sor­gungs­be­darf.

Der Deutsche Blinden- und Seh­behinderten­verband (DBSV), der Deutsche Verein der Blinden und Seh­be­hin­der­ten in Studium und Beruf (DVBS) und PRO RETINA Deutschland engagieren sich gemeinsam in der jährlichen Infor­ma­ti­ons­kam­pa­gne „Woche des Sehens“ (siehe unten). Sie führen die zu niedrigen Festbeträge auf Fehler bei der Kalkulation zurück. Unter anderem werden Arbeits­auf­wand und Betriebs­kos­ten der Augen­op­ti­ke­rin­nen und Augenoptiker wie auch der Anspruch der Betroffenen auf eine qualifizierte Beratung nicht berück­sich­tigt. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die zur Bildung des Festbetrags genutzten Grundlagen, also die Mate­ri­al­preise und die Kalkulation des Arbeits­auf­wandes, nicht transparent offengelegt werden.

Vor diesem Hintergrund werden die Selbst­hil­fe­or­ga­ni­sa­ti­o­nen der seh­be­hin­der­ten Menschen alle Mög­lich­kei­ten prüfen und nutzen, um eine deutliche Veränderung der Regelungen zu bewirken.

Eine ausführliche Stellungnahme mit vielen Beispielen ist abrufbar unter:
www.dbsv.org/stellungnahme/fort­s­chrei­bung_festbetraege_sehhilfen.html

15. Oktober: Inter­na­ti­o­na­ler Tag des weißen Stockes

Im Jahr 1964 wurde vom US-Kongress eine Resolution in Kraft gesetzt, die den 15. Oktober zum White Cane Safety Day (übersetzt ungefähr: „Ver­kehrs­si­cher­heits­tag des weißen Stockes“) erklärte. Mit seiner umgehenden Proklamation unterstützte der damalige Präsident der Vereinigten Staaten, Lyndon B. Johnson, das Streben blinder Menschen nach mehr Selbst­ständig­keit.

Der Tag des weißen Stockes entwickelte sich schnell zum weltweiten Aktionstag der seh­be­hin­der­ten und blinden Menschen. Seit dem Jahr 2002 ist der 15. Oktober in Deutschland zugleich der Abschlusstag der Woche des Sehens.

Nach deutschem Recht ist ein Mensch sehbehindert, wenn er auf dem besser sehenden Auge selbst mit Brille oder Kontaktlinsen nicht mehr als 30 Prozent von dem sieht, was ein Mensch mit normalem Sehvermögen erkennt. Sieht man weniger als fünf Prozent, gilt man als hochgradig sehbehindert. Nicht nur blinde, sondern auch viele hochgradig sehbehinderte Menschen sind auf den weißen Stock angewiesen.

Die Woche des Sehens

„Die Zukunft im Auge behalten“ heißt das Motto der diesjährigen Woche des Sehens. Die Auf­klä­rungs­kam­pa­gne findet bundesweit vom 8. bis 15. Oktober statt. Getragen wird sie von der Christoffel-Blin­den­mis­sion, dem Deutschen Blinden- und Seh­behinderten­verband, dem Berufsverband der Augenärzte, dem Deutschen Komitee zur Verhütung von Blindheit, der Deutschen Ophthal­molo­gischen Gesellschaft, dem Deutschen Verein der Blinden und Seh­be­hin­der­ten in Studium und Beruf sowie der PRO RETINA Deutschland. Unterstützt wird sie zudem von der Aktion Mensch und von ZEISS. Weitere Informationen unter www.woche-des-sehens.de

Quelle: Gemeinsame Pres­se­mit­tei­lung des DBSV, DVBS und PRO RETINA Deutschland

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