Netz­haut­ver­än­de­run­gen liefern frühe Hinweise auf Erkrankungen

Durch kleinste Ver­än­de­run­gen an Gefäßen und Nervenzellen lassen sich Diabetes, Bluthochdruck oder Alzheimer erkennen bevor spezifische Symptome auftreten. Auf ihrer Pres­se­kon­fe­renz am 14. Mai informierte die Stiftung Auge über den Stand der Forschung und welche Rolle Netzhautscans bei Diagnostik und Prävention einnehmen können.

Die Netzhaut ist ein einzigartiges Gewebe: Sie besteht aus Millionen von Nervenzellen, ist durch feine Blutgefäße durchzogen und ein viel­ver­spre­chen­der Ort für die Früh­er­ken­nung von Krankheiten, die das Gehirn, das Gefäßsystem oder den Stoffwechsel betreffen. „Im Auge lassen sich mikro­vas­ku­läre und neuronale Ver­än­de­run­gen so direkt, präzise und nicht-invasiv beobachten wie in keinem anderen Organ“, erklärt Prof. Frank G. Holz, Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn und Vorsitzender der Stiftung Auge.

Bluthochdruck und Diabetes hinterlassen Spuren im Auge

Schon seit längerem ist bekannt, dass chronische Erkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes auch die kleinen Gefäße der Netzhaut betreffen. „Studien zeigen, dass sich bei Menschen mit Bluthochdruck Ver­än­de­run­gen in der Größe oder Weite eines Blutgefäßes und kleine Einblutungen erkennen lassen – selbst dann, wenn der Blutdruck klinisch noch unauffällig erscheint“, betont Holz.

Ähnlich verhält es sich bei Diabetes mellitus: Bereits im Frühstadium treten kleine Gefä­ß­aus­sa­ckun­gen, feine Blutungen oder eine Schwellung an der Makula auf, die auf eine diabetische Retinopathie hinweisen können. Die Früh­er­ken­nung ist entscheidend – denn bei rechtzeitiger Behandlung lässt sich das Sehvermögen meist erhalten.

Früh­warn­zei­chen für Alzheimer in der Netzhaut?

Besonders dynamisch entwickelt sich derzeit die Forschung zur Rolle der Netzhaut in der Demenz­dia­gno­s­tik. Studien zeigen, dass Alzheimer-typische Ver­än­de­run­gen – wie der Verlust an Nervenzellen oder der Rückgang der Gefäßdichte – auch im Auge sichtbar werden. Dabei sind diese Auf­fäl­lig­kei­ten bereits in frühen Stadien messbar, noch bevor die Gedächt­nis­leis­tung merklich nachlässt. Forscher gelang es, mithilfe künstlicher Intelligenz aus Netz­haut­auf­nah­men Risikomarker für kognitive Ein­schränk­ungen abzuleiten. Die KI erkannte selbst feine Muster, die auf eine beginnende Alzheimer-Erkrankung hindeuten könnten. „Damit könnten Netzhaut-Scans künftig Teil eines einfach zugänglichen und nicht-invasiven Früh­er­ken­nungstests werden“, erklärt der Experte.

KI macht Augenbilder zu Datenquellen

Die Kombination moderner bildgebender Verfahren wie der sogenannten optischen Kohärenz­tomographie (OCT) oder der digitalen Fun­dus­fo­to­gra­fie mit KI-gestützten Auswertungen erweitert die dia­gno­s­ti­schen Mög­lich­kei­ten. Algorithmen analysieren Millionen von Bildpunkten, erkennen Muster und Korrelationen, die dem menschlichen Auge entgehen – und könnten so Risi­ko­pa­ti­en­ten frühzeitig iden­ti­fi­zie­ren.

„Die Netzhaut entwickelt sich zu einem spannenden inter­dis­zi­pli­nären Dia­gno­se­werk­zeug“, so Holz. „Sie bietet die Chance, inter­nis­ti­sche und neurologische Erkrankungen früh zu erkennen – oft bevor erste Beschwerden auftreten.“

Literatur:
1. Burke J, Gibbon S, Low A et al. Association between choroidal micro­vas­cu­la­ture in the eye and Alzheimer’s disease risk in cognitively healthy mid-life adults: A pilot study. Alzheimers Dement (Amst) 2025 Jan 16;17(1):e70075. doi: 10.1002/dad2.70075
2. Pead E, Thompson AC, Grewal DS et al. Retinal Vascular Changes in Alzheimer’s Dementia and Mild Cognitive Impairment: A Pilot Study Using Ultra-Widefield Imaging. Transl Vis Sci Technol 2023 Jan 3;12(1):13. doi: 10.1167/tvst.12.1.13
3.  Mauschitz MM, Lohner V, Koch A et al. Retinal layer assessments as potential biomarkers for brain atrophy in the Rhineland Study. Sci Rep 2022 Feb 17;12(1):2757. doi: 10.1038/s41598-022-06821-4
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Quelle: biermann-medizin.de

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