Stammzell-Pilot­be­hand­lung bei fort­geschritt­ener AMD

Eine neue Trans­plan­ta­ti­ons­tech­nik mittels Stamm­zell­the­ra­pie der Netzhaut könnte für viele Patienten mit alters­abhängiger Makula­degeneration (AMD) erstmals die Perspektive für eine Heilung schaffen. Eine Zelltherapie-Pilot­be­hand­lung wurde jetzt an der Augenklinik Sulzbach initiiert.

Die Basis hierzu, so teilt die Klinik mit, habe der der international renommierte Stamm­zell­for­scher PD Boris V. Stanzel, Leiter des Maku­la­zen­trums Saar an der Augenklinik Sulzbach, gelegt. Unter seiner Ägide initiiere die Schwer­punkt­kli­nik für Netz­haut­erkrankungen in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Bio­me­di­zi­ni­sche Technik (IBMT) in Sulzbach eine Zelltherapie-Pilot­be­hand­lung bei fort­geschritt­ener AMD. Die ursächliche Behandlung der AMD rücke damit „in greifbare Nähe”.

Rund viereinhalb Millionen Menschen in Deutschland leiden an einer Makula­degeneration. Ursache ist eine Schädigung des retinalen Pig­men­te­pi­thels (RPE). Diese äußerste Zellschicht der Netzhaut koordiniert Stoffwechsel und Funktion der Sinneszellen im Auge. Mit der AMD gehen Ent­zün­dungs­pro­zesse in dieser Schicht einher, weswegen überschüssige Stoff­wech­sel­pro­dukte rund um das RPE verbleiben und deren Funktion stören. Als Konsequenz kommt es zusehends zu einer Seh­ver­schlecht­erung.

AMD-Heilung durch Zellersatz aus Stamm­zell­pro­duk­ten?
Bisher, so die Augenklinik Sulzbach, sei die Intravitreale Operative Medi­ka­men­ten­ein­gabe (IVOM) das Maß der Dinge in der (feuchten) AMD-Behandlung. Das Einspritzen des Medikaments in den Glaskörper halte aber lediglich den Verlauf der Krankheit auf und behandele nicht bereits entstandene Schädigungen der Retina. Zudem sei die IVOM-Behandlung nur bei weniger als einem Viertel aller Patienten mit AMD möglich. Patienten mit trockenen Ver­laufs­for­men könnten damit nicht behandelt werden. Deshalb bestehe seit einigen Jahren die Hoffnung, durch eine Trans­plan­ta­tion von gesunden Zellen unter die Netzhaut die AMD zu heilen. „Allerdings waren frühere Trans­plan­ta­ti­ons­ver­fah­ren von kör­per­ei­ge­nen Zellen (autolog) mit häufigen Kom­pli­ka­ti­o­nen verbunden“, betont die Klinik. Genau hierin lieget der Vorteil des neuen Verfahrens: Durch den Zellersatz aus Stamm­zell­pro­duk­ten sei erstmals eine ursächliche Behandlung mithilfe eines mini­mal­in­va­si­ven operativen Eingriffes möglich. „Wir können bei uns in Sulzbach zukünftig ausgesuchte Patienten in die aktuelle Behand­lungs­stu­die einbeziehen. Damit greifen wir erstmals ursächlich in den Krank­heits­fort­s­chritt der AMD ein. Unser Ärzte-Team ist jetzt in einer Phase, in der die besondere Stammzell-Expertise einer größeren Anzahl an Patienten zur Verfügung gestellt werden kann. Jedoch bleibt eine Ein­schrän­kung: Wir können mit dieser Methode derzeit weder besonders frühe noch besonders späte AMD-Befunde behandeln“, präzisiert Prof. Peter Szurman, Chefarzt der Augenklinik Sulzbach.

Verfeinertes Verfahren für die ursächliche Behandlung der fort­ge­schrit­te­nen AMD
Stanzel erprobte mit Wis­sen­schaft­lern aus Deutschland, Österreich, USA, Finnland und Singapur an verschiedenen Modellen eine Methode, wie sich durch AMD zerstörte RPE-Zellen mithilfe von Stamm­zell­pro­duk­ten ersetzen lassen. Die For­scher­gruppe, so berichtet die Klinik weiter, habe verschiedene menschliche RPE-Arten aus Stammzellen auf speziellen, hauchdünnen Trä­ger­mem­bra­nen implantiert. Einige dieser Zellen seien in 2014 erstmals in der Wissenschaft für Trans­plan­ta­ti­ons­zwe­cke herangezogen worden und hätten eine gute Ver­träg­lich­keit gezeigt. Stanzels For­scher­gruppe habe hierfür spezielle Trans­plan­ta­ti­ons­in­stru­mente entwickelt und die retinalen Ersatzzellen dauerhaft unter die Netzhaut platziert. „Die Ergebnisse aus den Experimenten haben bewiesen, dass aus Stammzellen gewonnene retinale Pig­men­te­pi­thel­zel­len das Potenzial haben, die durch AMD erkrankten Zellen zu ersetzen“, sagt Stanzel. Seine Methode ermögliche jetzt die Präzisierung, welche Stammzell-Linien unter welchen Bedingungen für Trans­plan­ta­ti­o­nen unter die Netzhaut geeignet sind.

Klinik-Schwerpunkt Therapie von Maku­laer­kran­kun­gen
Die Therapie von Maku­laer­kran­kun­gen ist ein bedeutender Schwerpunkt der Augenklinik in Sulzbach. Das spe­zi­a­li­sierte Makulazentrum Saar zählt nach eigenen Angaben mit 10.000 Behandlungen im Jahr zu den größten in Deutschland. Szurman: „Herr Stanzel findet bei uns perfekte Aus­gangs­be­din­gun­gen, um diese wegweisende The­ra­pie­op­tion für AMD erfolgreich zur Pati­en­ten­an­wen­dung zu bringen. Neben dem Aspekt einer erfahrenen Schwer­punkt­kli­nik war für Herrn Stanzels Herkommen entscheidend, dass wir eine eigene For­scher­gruppe mit Reinraumlabor zur Wei­ter­ent­wick­lung der AMD-Behandlung unterhalten.“ Zusätzlich arbeite die Augenklinik Sulzbach eng mit dem Fraunhofer IBMT in Sulzbach zusammen, an dem unter anderem die pluripotente Stamm­zell­tech­no­lo­gie ein wesentlicher For­schungs­schwer­punkt sei. Die Pilotstudie der Augenklinik werde über das Stu­di­en­zen­trum unter Aufsicht der Ethik­kom­mis­sion Saarbrücken und weiterer regu­la­to­ri­scher Institutionen durchgeführt.

Aus meiner Sicht ist die Augenklinik Sulzbach in Europa eine der besten Adressen für die Erforschung und Therapie der Makula­degeneration“, sagt Stanzel und ergänzt: „Hier finde ich ein spe­zi­a­li­siertes Zentrum mit einer sehr großen Zahl an Patienten mit AMD sowie die langjährige Erfahrung mit der operativen AMD-Behandlung (subretinale Chirurgie) als auch ein modernes For­schungs­la­bor. Außerdem kann ich die vorhandenen For­schungs­struk­tu­ren und -kooperationen nutzen, um meinen Patienten zügig diese neue Therapie bereit­zu­stel­len. Ich erhoffe mir zudem viele Synergien mit der deutschen sowie europäischen Biotech-Industrie. Da Europa für die klinische Translation von zell­the­ra­peu­ti­schen Produkten aus pluripotenten Stammzellen regulatorisch noch unerfahren ist, freue ich mich auf die Zusam­me­n­a­r­beit auf nationaler und europäischer Ebene. Vieles passt hier im Saarland prima zusammen, sodass eine ursächliche Behandlung der fort­ge­schrit­te­nen AMD in ausgewählten Fällen mit rezenter Seh­ver­schlecht­erung jetzt endlich greifbar wird.“

Boris Stanzel
PD Boris Viktor Stanzel gilt als ausgewiesener Experte für Stammzell-basierte Ersatz­stra­te­gien des retinalen Pig­men­te­pi­thels (RPE) bei Makula­degeneration. Stanzel ist seit dem 1. April 2017 – nach seinem jüngsten Stu­di­en­auf­ent­halt in Singapur mit dem Schwerpunkt vitreo­re­ti­nale Chirurgie – ober­ärzt­li­cher Leiter des Maku­la­zen­trums Saar an der Augenklinik Sulzbach.
Das eng­lisch­spra­chige Fachmagazin „The Oph­thal­mo­lo­gist“ führte den Forscher im April 2017 bereits zum dritten Mal seit 2014 in seiner „Powerlist“ der global besten und ein­fluss­reichs­ten Augenärzte. (https://theo­ph­thal­mo­lo­gist.com/power-list/2017/4-boris-stanzel/).

Quelle: Augenklinik Sulzbach

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