Trockene AMD: Chancen, das Sehvermögen zu erhalten

Eine Her­aus­for­de­rung für die augen­me­di­zi­ni­sche Betreuung stellt die alters­abhängige Makula­degeneration (AMD) dar. Prof. Dr. Sandra Liakopoulos brachte gute Neuigkeiten mit zur AAD nach Düsseldorf: Auch für die bisher nicht behandelbare trockene Spätform, die geographische Atrophie, gibt es bald eine Behandlung: Medikamente, die Bestandteile des Kom­ple­ment­sys­tems hemmen, können eine Verlangsamung der Krankheit erreichen.

Bald könnte es erstmals eine Therapie für die geographische Atrophie geben, die zumindest deren Grö­ßen­wachs­tum verlangsamen kann, erläuterte Prof. Dr. Sandra Liakopoulos, Goethe-Universität Frankfurt und Cologne Image Reading Center. Für zwei Wirkstoffe, Pegcetacoplan und Avacincaptad pegol, wurde die Zulassung bereits beantragt. Die US-amerikanische Arz­nei­mit­tel­be­hörde FDA hat Pegcetacoplan Ende Februar 2023 für diese Indikation zugelassen. In Europa ist 2024 mit einer Entscheidung über dieses Medikament zu rechnen. Zudem laufen weitere Studien, u.a. für Gentherapien, die in der Zukunft die Behand­lungs­mög­lich­keiten noch erweitern könnten.

Frühe und späte Formen der AMD

Die AMD hat mul­ti­fak­to­ri­elle Ursachen. Im frühen Stadium bemerken Patienten häufig wenige bis keine Symptome. Kommt es im Verlauf zu einem Einwachsen von Blutgefäßen unter die Netzhaut und zum Austreten von Flüssigkeit aus diesen neugebildeten Gefäßen, so kann die Sehkraft plötzlich sinken. Seit 15 Jahren stehen mit den VEGF-Inhibitoren wirksame Medikamente zur Verfügung, welche den Sehverlust bremsen und die Sehkraft sogar wieder verbessern können.

Auch ohne neugebildete Blutgefäße kann die Sehkraft bedroht sein: durch einen progredienten Untergang von Pig­men­te­pi­thel­zel­len und Foto­re­zep­to­ren. Diese Spätform der Makula­degeneration wird als geographische Atrophie bezeichnet. Sie führt zu einer langsam schleichenden Abnahme des Sehvermögens. Ist das Zentrum der Makula, die Fovea, betroffen, entsteht in der Mitte des Gesichts­fel­des ein blinder Fleck. Das äußere Gesichtsfeld bleibt erhalten. Die Erkrankung kann bis hin zu einer Erblindung im Sinne des Gesetzes fortschreiten. Eine ausgewogene mediterrane Ernährung und Verzicht auf das Rauchen haben einen positiven Effekt auf den Verlauf der Erkrankung. Bislang steht jedoch keine zugelassene Therapie zur Verfügung.

Multimodale Bildgebung hilft, die AMD zu verstehen

Um neue Behand­lungs­mög­lich­keiten für eine Krankheit zu finden, ist es zunächst notwendig, die Abläufe, die die Krankheit verursachen, besser zu verstehen. Hier hat die moderne multimodale Bildgebung, bei der die optische Kohärenz­tomografie (OCT) eine besondere Rolle spielt, in den vergangenen Jahren einen enormen Lern­fort­s­chritt ermöglicht. Inter­na­ti­o­nale Gruppen von Wis­sen­schaft­lern haben gemeinsam Biomarker definiert, die für die Klas­si­fi­ka­tion der AMD von Bedeutung sind und bei der Beurteilung helfen, wie groß im einzelnen Fall das Risiko für eine Progression der Krankheit ist.

Während die Bildgebung objektive Befunde liefert, die in Studien als Kriterium genutzt werden können, um die Wirksamkeit einer Behandlung zu beurteilen, ist die zentrale Sehschärfe bei der geo­gra­phi­schen Atrophie nur bedingt als klinischer Endpunkt für The­ra­pie­stu­dien geeignet. Eine frühe AMD verursacht schließlich noch keine oder nur geringe Ein­schränk­ungen der Sehschärfe. Zu einem deutlichen Visusabfall kommt es erst dann, wenn der Punkt des schärfsten Sehens von der Atrophie betroffen ist. 

Ein Ansatzpunkt bei der trockenen AMD: das Kom­ple­ment­sys­tem

Vor wenigen Jahren zeigte sich, dass in der Entwicklung der trockenen AMD das Kom­ple­ment­sys­tem eine wichtige Rolle spielt. Gerät es aus dem Gleichgewicht, dann kann es an verschiedenen Krankheiten beteiligt und für Gewebs­schä­den ver­ant­wort­lich sein. Das ist auch bei der geo­gra­phi­schen Atrophie der Fall. Die beiden neuen Medikamente zielen auf Bestandteile des Kom­ple­ment­sys­tems, um dessen Wirkung zu hemmen.

Das synthetische Molekül Pegcetacoplan bindet sich an den Kom­ple­ment­fak­tor C3. Wird es monatlich oder alle zwei Monate ins Augeninnere gegeben, dann verlangsamt sich das Wachstum der geo­gra­phi­schen Atrophie. Das wurde in Phase-III-Studien für den Zeitraum von 24 Monaten nachgewiesen. Der Wirkstoff Avacinacaptad pegol setzt beim Kom­ple­ment­fak­tor C5 an. Auch für dieses Medikament liegen Phase-III-Studiendaten vor, die belegen, dass das Wachstum der geo­gra­phi­schen Atrophie gebremst wird. Ein funktioneller Benefit konnte in den bisherigen Studien nicht nachgewiesen werden, jedoch kann eine Verlangsamung des Wachstums einer Atrophie Patienten zum Beispiel wertvolle Zeit mit erhaltener Lese­fä­hig­keit schenken, bevor das Sehzentrum von der Erkrankung betroffen ist. Es besteht die Aussicht, dass diese beiden Medikamente bald eine Zulassung in Deutschland erhalten werden.

Her­aus­for­de­rung für die auge­n­ärzt­li­che Versorgung

So positiv die Nachricht ist, dass es neue Mög­lich­kei­ten gibt, das Sehvermögen zu erhalten – für die auge­n­ärzt­li­che Versorgung ist es eine große Her­aus­for­de­rung. Die Medikamente müssen in regel­mä­ßi­gen Abständen von ein bis zwei Monaten ins Auge gegeben werden. Für die Patienten sind die häufigen Kon­troll­ter­mine und Behandlungen aufwändig. Auge­n­a­rzt­pra­xen und -kliniken stehen vor der Aufgabe, für eine große Zahl von Patienten, die vorher nicht behandelt werden konnten, nun die nötigen Kapazitäten zu schaffen. Schließlich muss das Gesund­heits­sys­tem dafür auch die notwendigen finanziellen Mittel bereitstellen.

Weitere Therapie­ansätze in der Erforschung

Es gibt noch weitere Therapie­ansätze, an denen Arbeits­grup­pen weltweit forschen. Dazu gehören Behandlungen, die auf den Schutz der Nerven abzielen (Neu­ro­pro­tek­tion), die den Sehzyklus beeinflussen (Seh­zy­klus­in­hi­bi­to­ren), die Entzündungen hemmen (anti­in­flam­ma­to­ri­sche Therapie), Netzhaut-Implantate, und schließlich gen­the­ra­peu­ti­sche Ansätze. In Phase I- und Phase II-Studien wird derzeit GT-005 untersucht. Dieses Medikament soll dafür sorgen, dass im Auge ein Wirkstoff produziert wird, der das Kom­ple­ment­sys­tem im Gleichgewicht hält. Das hätte den Vorteil, dass eine einmalige Behandlung eine lange Wirksamkeit hat. 

Quelle: Concept Oph­thal­mo­lo­gie

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