Wie Gene die Alterung der Netzhaut beeinflussen

US-amerikanische Forscher haben Mäuse mit neun verschiedenen genetischen Hin­ter­grün­den untersucht, um Faktoren zu iden­ti­fi­zie­ren, die die Augenalterung beeinflussen. Damit könnten sie den Weg für eine augenbasierte Diagnostik neu­ro­de­ge­ne­ra­ti­ver Krankheiten ebnen.

Ver­än­de­run­gen des Sehvermögens sind ein unver­meid­li­cher Teil des Alterns. Aber warum sind manche Menschen anfälliger für alters­be­dingte Augen­krank­heiten? Warum ist die Ver­schlecht­erung bei manchen Menschen stärker als bei anderen? Neue For­schungs­er­geb­nisse des Jackson Laboratory (JAX), Bar Harbor, USA, zeigen, dass die Genetik eine Schlüs­sel­rolle dabei spielt, wie das Auge altert. Dabei beeinflussen unter­schied­liche genetische Hintergründe die Alterung der Netzhaut auf unter­schied­liche Weise.

In der Studie wurden alters­be­dingte Ver­än­de­run­gen von Genen und Proteinen in den Netzhäuten von neun Mäu­se­stäm­men analysiert, die die genetische Variabilität beim Menschen nachahmen. Während alle Mäuse die erwarteten Alte­rungs­er­schei­nun­gen aufwiesen, unterschieden sich Schweregrad und Art dieser Ver­än­de­run­gen erheblich zwischen den neun Stämmen. Die Ergebnisse der Unter­su­chun­gen wurden in der Fach­zeit­schrift „Molecular Neu­ro­de­ge­ne­ra­tion“ ver­öf­fent­licht.

Ein genauerer Ansatz zur Modellierung der Augenalterung

Bisher wurden Studien zur Netz­hau­tal­te­rung und -erkrankung mit einem einzigen Stamm genetisch identischer Mäuse durchgeführt, was die Mög­lich­kei­ten der Forscher einschränkte, die Rolle der genetischen Variation zu verstehen. „Die Her­aus­for­de­rung bei der Untersuchung alters­be­dingter Augen­krank­heiten besteht darin, dass die Alterung heterogen ist“, erklärte Prof. Gareth Howell, Lehr­stuhl­in­ha­ber der Diana Davis Spencer Foundation for Glaucoma Research am JAX, der die Forschung leitete. „Die Beobachtung des Alte­rungs­pro­zes­ses bei einem bestimmten Mäusestamm ist mög­li­cher­weise nicht für alle Mäuse – oder Menschen – relevant. Um die Ein­schränk­ungen früherer Studien zu überwinden, wollten wir wissen, wie der genetische Kontext die Alterung der Netzhaut beeinflusst.

Bei ihrer Arbeit nutzten Howell und sein Team neun Mäusestämme mit unter­schied­lichen genetischen Hin­ter­grün­den. Diese sollten die menschliche Variabilität besser widerspiegeln. Die Forscher sammelten Daten über alters­be­dingte genetische und molekulare Ver­än­de­run­gen bei jungen und alten Mäusen. Da ihr Datensatz nun öffentlich zugänglich ist, hoffen Howell und sein Team, dass ihre Ergebnisse anderen Wis­sen­schaft­lern, die sich mit dem Altern und dem Verlust des Sehvermögens befassen, helfen werden. Zudem könnte ihre Arbeit dabei unterstützen eine Vorhersage des neu­ro­lo­gi­schen Alterns zu verbessern.

Gen- und Pro­te­in­ana­ly­sen sagen Augen­krank­heiten voraus

Eine der wichtigsten Entdeckungen der Studie war die Iden­ti­fi­zie­rung von zwei Mausstämmen, die menschlichen Netz­haut­erkrankungen sehr ähnlich sind. Bei der Durchführung von Augen­un­ter­su­chun­gen – wie bei einem Routinebesuch beim Augenarzt – stellten die Forscher fest, dass der Watkins Star Line B (WSB)-Stamm Merkmale der alters­be­dingten Makula­degeneration und der Retinitis pigmentosa entwickelte. Während der New Zealand Obese (NZO)-Stamm, der für seine schwere Fett­lei­big­keit und Diabetes bekannt ist, diabetische Retinopathie entwickelte. Darüber hinaus sagte die Gen- und Pro­te­in­ana­lyse bei beiden Mäu­se­stäm­men voraus, dass sie gemeinsame alters­be­dingte Augen­krank­heiten entwickeln würden.

„Es war viel­ver­spre­chend zu sehen, dass die molekularen Daten, die wir generierten, spezifische Anomalien der Netz­haut­zel­len in diesen beiden Stämmen vorhersagten“, berichtet Olivia Marola, eine JAX-Post­dok­to­ran­din und Co-Erstautorin der Studie. „Als wir einzigartige Ver­än­de­run­gen in den retinalen Gan­gli­en­zel­len von NZO auf molekularer Ebene sahen, konnten wir natürlich auch drastische funktionelle Ver­än­de­run­gen in diesen Zellen feststellen.”

Diese Modelle werden es den Forschern ermöglichen, den Verlauf dieser Krankheiten zu untersuchen und mögliche Behandlungen zu erforschen, erklärte Michael MacLean, ein Postdoktorand und Mitautor der Arbeit. Sie könnten auch anderen Wis­sen­schaft­lern bei der Auswahl von Mausmodellen helfen, die sie für ihre eigenen Arbeiten im Zusammenhang mit der Alterung verwenden wollen. Auch könnten diese Modelle bei der Durchführung weiterer Studien eingesetzt werden, um einzelne Gene zu ermitteln, die mit einer beschleu­nig­ten Augenalterung und Augen­krank­heiten wie Katarakt, Glaukom, Makula­degeneration und diabetischer Retinopathie in Zusammenhang stehen.

Netzhaut als Biomarker für Alzheimer

Über die Erforschung des Sehvermögens hinaus könnte diese Studie, den Wis­sen­schaft­lern zufolge, weitreichende Auswirkungen auf neu­ro­de­ge­ne­ra­tive Erkrankungen haben. Da die Netzhaut eine direkte Verlängerung des Gehirns ist, könnte das Verständnis, wie sie altert, Aufschluss über Krankheiten wie Alzheimer und andere Formen der Demenz geben.

„Das Auge ist ein ent­schei­den­des Organ, und diese Forschung füllt eine wichtige Lücke in unserem Verständnis des Alterns“, so Howell. „Aber darüber hinaus ist das Auge ein Fenster zum Gehirn. Wenn wir verstehen, wie das gesunde Auge altert, können wir vielleicht neue Wege finden, die Augen zu nutzen, um das Risiko von Menschen zu bestimmen, an Krankheiten wie Alzheimer zu erkranken.“

Quelle: biermann-medizin.de

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